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Freitag, 1. Februar 2019

Der Ruf des Wolfes - Die Realität der Mehrheit vs. Shiny Happy People



Warum ist aus mancher Zeit sowenig Kritisches bekannt? Warum gab's etwa im Mittelalter, in der Neuzeit oder Nazizeit kaum Widerstand? Wie steht's mit sachlich geführter Medienkritik? Häufige Fragen, aktualisiert durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiers eingeforderte "gesunde Debatte"!

Die Geschichte zeigt, zu allen Zeiten war's gefährlich nicht mit den Wölfen zu heulen, Nicht-Opportunes zu tönen. Man teilte besser die Meinung der Mehrheit, jedenfalls herrschender Minderheiten.

Früher gab's wenig Kritik. Von Frauen, Kindern, Unterdrückten, Verlierern der Bevölkerung ist wenig bekannt. Gründe: Despotische Politik, Furcht vor Repressalien, Ignoranz der Macht, Geschichtsschreibung dominiert von Siegern und Mächtigen.

Vom technologischen Fortschritt geblendet wähnen viele unsere Gesellschaft zivilisiert, doch Weltpolitik, Machtgefüge, unserer Natur und Gesellschaft Zustand veranschaulichen, auch heute ist's heikel vom Establishment abweichende Standpunkte einzunehmen. Entscheider sehen Positionen kritisch, die deren Machterhalt und  Deutungshoheit gefährden, gewähren nur ausgesuchten Positionen das "Meinungsfreiheits-Privileg", missachten damit abermals Voltaire-Biografin Evelyn Beatrice Halls liberale Meinungsfreiheits-Definition: "I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it." Sie musste unter Pseudonym veröffentlichen. Meinungsfreiheit - auch heute nur Wenigen gewährt, Andersdenkenden dagegen nur solange ihr Beitrag bedeutungslos erscheint - ist ein zweischneidiges Schwert: Meinungsfreiheit ist JournalistInnen zuzugestehen sowie als Gradmesser für Objektivität der Medien-Welt anzusehen, also wieviel Meinungsfreiheit JournalistInnen der Bevölkerung gewähren.

Wer in neurotischer Suche nach Fake-News - zum Erhalt westlicher Demokratie - Meinungsfreiheit einschränkt, verkennt die offensichtliche Absurdität seiner Handlungen, die Bedeutung diskursethischer Meinungsfreiheit und verspielt Glaubwürdigkeit gegenüber Diktaturen.

Offizielle Meldung und Social Media driften auseinander. Kritik wird ins Social-Media-Reich verdrängt; führenden Medien mag's genügen, sie übersehen jedoch geflissentlich, dass "Polit-Talks" unrepräsentativ, vorhersehbar, eindimensional der Meinungsvielfalt ermangeln. Führende Medien betreiben mit Exklusion großer Bevölkerungsteile eine Spaltung der Gesellschaft. Psychologe Mihály Csíkszentmihályi bespricht "Gatekeeper der Wissenschaft". Auch "Gatekeeper veröffentlichter Meinung" klassifizieren Abweichende/s als gefährlich für deren Deutungshoheit (Pressure-Groups)...Veröffentlichungen abweichender Standpunkte sind daher handverlesen.

Die Bevölkerung war lange zum Schweigen verdammt. Kaum ist ihre Stimme durch Social Media hörbar, befleißigen sich zensurierende Gatekeeper die emanzipierte Mehrheit verstummen zu lassen.

Im "fortschrittlich-objektiv-liberalen Westen" wirken Standardisierungsprozesse auf veröffentlichte Meinung. Gatekeeper vereinheitlichen Meinungsvielfalt danach, was ihnen plausibel, genehm ist, weder sie noch ihre Unterstützer kritisiert.

Wer (medialen) Standardisierungsdruck bezweifelt, möge, sophistisch-experimentell auf eigenes Risiko, in seinem Freundes-/Verwandtenkreis, jedweder Menschenansammlung, erwartbar Unerwünschtes mutig äußern, etablierten Meinungen, Auffassungen, Überzeugungen widersprechen, und wahrnehmen, wie selbst Toleranz-Verfechter auf Abweichendes intolerant reagieren.

Stets war das Realität, was die Mehrheit glaubt bzw. herrschende Minderheiten die Mehrheit glauben ließen. Was die Mehrheit glaubt, ist nicht statisch, sondern im Wandel, wie Geschichtsbücher zeigen. Die Mehrheit glaubt das, was sie erfährt. Eine demokratisierte Mehrheit folgt den Medien nur insoweit sie Realität abbilden, Medienberichterstattung der Realität der Mehrheit entspricht. Daran bemisst sich Objektivität und Glaubwürdigkeit der Medien.

Seit Jahren ignorieren führende Medien die Realität der Mehrheit. Brächten sie die Realität der Mehrheit, müssten Medien ununterbrochen über Armut berichten, die spürbare Realität der Mehrheit, dass unsere Gesellschaft auseinanderbricht. Zunehmende Kinderarmut, Altersarmut, Jugendarbeitslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Leiharbeit, Working Poor, Sklaverei erhalten kaum Medienaufmerksamkeit, deprimieren Medienmacher wohl zu sehr, die lieber verdrängen, für glitzernde Ablenkung sorgen - erinnernd an Propagandaminister grausamer Systeme.

Führende Medien wirken als Stabilisatoren gesellschaftspolitischer Machtverhältnisse. Sie agieren als Mittäter fragwürdiger Eliten, betäuben durch Werbeschaltungen, suggerieren den Kauf unleistbarer Produkte, treiben die Mehrheit in die Schulden, ins Armenhaus, in die Arme von PopulistInnen. Diese zu bashen ist Treibstoff für PopulistInnen, verhöhnt große Bevölkerungsteile.

Eine Kluft zwischen Medienfokus und Realität der Mehrheit folgt jahrelanger obrigkeitsschonender Berichterstattung führender Medien, die mit veröffentlichter Meinung fern der Realität der Mehrheit vermitteln nicht der Mehrheit zu dienen, sondern abgehobenen Eliten, deren Privatwirklichkeit/Bubble widerspiegelnd, gesellschaftliche Spaltung befeuernd entlang der Arm-Reich-Grenze.

Medien mit Objektivitätsanspruch sollten reflektieren, wie (selbst)kritisch, frei von Ideologie und Marktmacht sie sind, demgemäß prüfen, ob sie Ideologiekritik (Sozialphilosoph Ernst Topitsch) anwenden oder bloß einseitig, pseudo-objektiv sind, ob sie für die Realität der Mehrheit stehen, oder für die Verbreitung des Narrativs von Eliten, denen's kaum ums Gemeinwohl, vielmehr ums eigene Wohl geht, Mensch und Natur opfernd.

Seit Paul Watzlawicks: "Wahr ist nicht, was A sagt, sondern was B versteht.", geläufig als "Kommunikation ist das, was ankommt", oder Friedemann Schulz von Thuns "Nachrichtenquadrat" wäre bekannt, wie sehr das, was der Sender meint und das, was der Empfänger versteht, auseinanderklaffen kann. Doch führende Medien scheinen taub für Erkenntnisse dieser Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeuten.

Sinkende Auflagenzahlen führender Medien sind Ausdruck medialer Ablösungserscheinung von der Realität der Mehrheit. Gefordert wäre eine Kommunikationsverbesserung zur Entkräftung des vermittelten Eindrucks mit unkritischer Hofberichterstattung den Kontakt zur Mehrheitsbevölkerung verloren zu haben. Andernfalls kommunizieren führende Medien Objektivität, Verständigung, Verstehen geringzuschätzen, dafür Prestige, als Liebkind der Eliten Macht, Geld, Einfluss zu genießen, trotz verarmender Mehrheit.

Führende Medien müssten Abweichende/s vom Etablierten begrüßen, was "Soziale Mobilität" begünstigte. Exklusion der Mehrheit löst kein Problem, sondern erhöht gesellschaftlichen Druck hinwärts sozialer Spannungen, Unruhen, Aufstände.

Unruhige Zeiten müssten führende Medien motivieren der Mehrheit nicht als Sprachrohr abgehobener Eliten zu erscheinen.

Regimes entscheiden über abweichende Meinungen, Standpunkte, Auffassungen, ob Andersdenkende, vom Establishment Abweichende zugelassen und publiziert, oder redigiert, abgeschmettert, unterdrückt werden. Damit regimeimmanente Doktrin rechtbehält, muss gemäß inhärenter Systemlogik Abweichendes für unwahr erklärt oder verboten und Andersdenkende der Unwahrheit bezichtigt werden.

Meinungsfreiheit-Advokaten sind besorgt, wie trotz des Grauens im 20. Jahrhundert - gnadenloser Verfolgung Andersdenkender - heute Meinungsfreiheit abnimmt: Wer nicht mit den Wölfen heult, wird als unbequem, unangebracht, unerwünscht angesehen, unterdrückt.

Macht, Einfluss, Interessen, Geld, verhärtet-ausgrenzende Überzeugungen verleiten seit jeher Machthaber anzunehmen die Wahrheit gepachtet zu haben, dem demokratischen Diskurs abgehoben-entzogen über das Schicksal Andersdenkender, Abweichender zu entscheiden. Ausgrenzung, Hetze, Rufmord, Ächtung erinnern an Exkommunikation, Inquisition, "Verschwinden", Gulag, KZ.

Andersdenkende, abweichende Stimmen, sind nicht notwendigerweise Parteien, Gruppierungen, Weltanschauungen zuzuordnen, sondern dadurch definiert von etablierter Meinung abzuweichen, anders zu denken, anderes zu denken, als das Establishment.

Ähnlich einer Persönlichkeit - "demokratische Gesellschaft" als Persönlichkeit gefasst - vermögen starke Demokratien abweichende Meinungen, Standpunkte, Andersdenkende auszuhalten, zu integrieren - robust-resilient daran wachsend. Schwache Demokratien können das nicht, sehen ihre Stärke darin abweichende Meinungen, Standpunkte, Andersdenkende zu unterdrücken. Mit politisch Andersdenkenden, abweichender Meinung intolerant umzugehen, erinnert an vergangenes Grauen, den Ruf der Wölfe.

Führende Medien werden daran gemessen, ob sie sich mit Medienfokus und Berichterstattung hinter die zunehmend verarmende im neoliberalen Getriebe zerriebene Mehrheitsbevölkerung stellen oder mit losgelösten neoliberalen Eliten kollaborieren - mit dem von der Mehrheit entkoppelten Leitwolf heulen, der entsprechend dem altrömischen Dichter Plautus': "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf..." gnadenlos durchs Land jagt und lange vorm vielberichteten "Rechtsruck" begann die Fundamente der Gesellschaft zu zersetzen.

Jahrelanger Medien-Ansturm gegen Donald Trump zeigt, wie Psychiater mit ihrem Berufskodex brechen, Trumps Persönlichkeit ferndiagnostizierend auf die Couch legen, ebensowie führende Medien sich - lange vor realistischen Präsidentschaftschancen - über jemanden, den sie ablehnen, unaufhörlich empören können.

Doch selbige Riege der Empörten wirkt auffallend unmotiviert, ungezügelte Neoliberalisten gleichermaßen jahrelang ununterbrochen zu kritisieren, geißeln, pathologisieren, übt sich vielmehr im Wegschauen, in Zahlenspielchen, beschwichtigend konservativer Zurückhaltung, unkritischer Hofberichterstattung, trotz prekärer Realität der Mehrheit. Ist das mediale Objektivität? Ebensowenig wie "Kathedersozialisten" mit "Professoren-Prophetie", kritisiert vom Soziologen Max Weber.

Autoritäten, die ungezügelter Neoliberalismus kaltlässt, lassen tief blicken, zumal weder führende Medien noch Psychiater zu den Verlierern des Neoliberalismus zählen, sondern wohlsituiert keinen Anlass zur Empörung sehen. Konzentration der Marktmacht auf wenige Konzerne müsste "kritische" Medien motivieren unaufhörlich Sturm zu laufen, als "Vierte Gewalt" aufzutreten, nicht als "Vierte Geige" im neoliberalen Konzert, als unkritische Geschichtsschreiber von OligopolistInnen, die alljährlich in Davos Mitmenschlichkeit vortäuschen, während die Mehrheitsbevölkerung zunehmend zum Schweigen gebracht, der Ständestaat wiedererrichtet, die antike Polis, welche - obwohl Geburtsstätte der Demokratie - Wahl-/Stimmrecht nur Wenigen zugestand.

Dr. Dr. Immanuel Fruhmann
Philosoph und Systemischer Analyst

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